Twin Transition: Dank Digitalisierung bald klimaneutral?

Mit digitalen Technologien den CO2-Fußabdruck reduzieren: So könnte Europas digitale und grüne Transformation aussehen. Doch auf dem Weg dahin muss die EU einige Herausforderungen meistern.

Hand hält digitalen Globus vor grünem Hintergrund (Symbolbild für Twin Transition)
Twin Transition. Foto: Adobe Stock

Zwei große Umbrüche werden Gesellschaft und Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten besonders beschäftigen: die Notwendigkeit eines ökologischen Wandels und die Digitalisierung mitsamt ihren Chancen und Risiken.

Diese beiden Entwicklungen, die auch als digitale und grüne Transformation bezeichnet werden, finden zeitgleich statt. Sie sind aber auch inhaltlich eng miteinander verknüpft – eine Tatsache, die dem Konzept der „Twin Transition“ zugrunde liegt.

Die Idee ist, künftige Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit etwa in der EU nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam zu denken. Europa soll die Potenziale digitaler Technologien gezielt nutzen, um eine ökonomisch wettbewerbsfähige und zugleich ökologisch nachhaltige Gesellschaft zu schaffen.

Der Erfolg dieser doppelten Transformation hängt wesentlich von einer Frage ab: Wie können die beiden Prozesse ineinandergreifen, ohne dass Fortschritte in einem Bereich zu Rückschritten in einem anderen führen – wie es zum Beispiel geschieht, wenn immer leistungsfähigere Rechenzentren den CO2-Ausstoß in die Höhe treiben?

Wie soll das EU-Konzept der Twin Transition umgesetzt werden?

Es wird wahrscheinlich vor allem der Privatsektor sein, der den digitalen Wandel vorantreibt – allein schon wegen des enormen wirtschaftlichen Potenzials, das in digitalen Technologien liegt. Um aber mit digitalen Mitteln auch nachhaltige Ziele zu verfolgen, ist das Engagement von Staat und Zivilgesellschaft gefragt.

Besonders die EU spielt für die Twin Transition eine entscheidende Rolle: Über Verordnungen, Richtlinien und Förderungen legt sie die europaweiten Spielregeln fest, damit der doppelte Wandel gelingen kann.

Während die digitale Transformation längst viele Lebensbereiche durchdrungen hat und auf EU-Ebene durch die Digitalstrategie der EU-Kommission gefördert und gesteuert wird, steht die ökologische Wende vor allem im Zeichen des Europäischen Grünen Deals. Er sieht vor, dass die Netto-Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bis 2050 soll Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent werden.

Nachhaltigkeit bezieht sich dabei nicht nur auf ökologische Aspekte. Auch wirtschaftlich soll der Grüne Deal die EU für die Zukunft rüsten, etwa indem Energie für Unternehmen wie für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur grüner, sondern auch bezahlbarer wird.

Sowohl der Europäische Grüne Deal (2019) als auch die Digitalstrategie der EU (2020) bilden die Grundlage für das Konzept der Twin Transition. Eine Schlüsselrolle, um die Twin Transition verstärkt zu verankern, spielte der „2020 Strategic Foresight Report“ der EU-Kommission. Der Bericht identifizierte das Zusammenspiel von digitaler und grüner Transformation als eine der wichtigsten Herausforderungen – und Chancen – für die Zukunft Europas.

Beispiele aus der Praxis: So geht Twin Transition

Im Idealfall unterstützen sich der grüne und der digitale Wandel gegenseitig. Wie die Twin Transition konkret aussehen kann, zeigen folgende Beispiele aus der Praxis:

  • Stadtplanung: „Digitale Zwillinge“, also virtuelle Gegenstücke realer Umgebungen, können Modelle des Stadtverkehrs liefern, um Schwachstellen im Verkehrsfluss zu identifizieren, Alternativen zu modellieren, Staus zu reduzieren und dadurch Emissionen zu verringern.
  • Smart Homes: Smart Homes kombinieren intelligente Steuerung mit fortgeschrittener Sensortechnik und Smart Metern, also mit digitalen Stromzählern, um Heizung, Beleuchtung, Beschattung und Belüftung von Häusern und Wohnungen zu überwachen. Das sorgt nicht nur für mehr Wohnkomfort, sondern kann – insbesondere im Zusammenspiel mit erneuerbaren Energieträgern und natürlichen Baumaterialien – auch Energie und Kosten sparen. Smart Grids, also intelligente Stromnetze, können Smart Homes noch energieeffizienter machen.
  • Future Farming: Landwirtinnen und Landwirte setzen schon jetzt auf digitale Technologien, um sich gegen den Klimawandel zu rüsten und Erträge zu steigern. Der Einsatz digitaler Instrumente in der Landwirtschaft kommt je nach Anwendung auch der Umwelt zugute, etwa indem Sensoren den Wasser- und Nährstoffbedarf von Böden und Pflanzen genau ermitteln. Anhand dieser Daten können Landwirtinnen und Landwirte ihre Felder effizienter bewässern und den Pflanzenschutz verbessern.
Hinweis

Das Zusammenspiel von Software und Sensoren trägt auch in vielen anderen Bereichen dazu bei, Energie zu sparen, Lieferketten zu verbessern und CO2-Fußabdrücke zu minimieren – auch in der Cybersicherheit. Wie ein nachhaltiger Schutz gegen Cybergefahren gelingt, zeigt der Beitrag „Green Cybersecurity: Wie gelingt nachhaltige IT-Sicherheit?

Künstliche Intelligenz birgt ein großes Potenzial, um den ökologischen Wandel zu unterstützen. Nähere Informationen hierzu entnehmen Sie dem Beitrag „KI im Dienst der Nachhaltigkeit: Überblick und Beispiele“.

Erfahren Sie im Interview mit Markus Gansberger vom Francisco Josephinum in Wieselburg, in welchem Ausmaß die Digitalisierung auch in der Landwirtschaft Einzug hält.

Herausforderungen der Twin Transition

Trotz aller Potenziale bergen Transformationen auch Risiken, von der Verstärkung sozialer Ungleichheit über Fehlinvestitionen bis hin zu Lücken im Datenschutz. Die folgenden Punkte zu berücksichtigen kann dazu beitragen, damit die Twin Transition gelingt:

  • Soziale Umwälzungen: Nicht alle Menschen können sich eine teure Solaranlage fürs smarte Eigenheim kaufen. Außerdem werden Digitalisierung und künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellen. Eine faire und inklusive Gestaltung der Twin Transition sowie gezielte Förderungen durch den Staat können dazu beitragen, die gesamte Gesellschaft in diesen Prozess einzubeziehen und soziale Ungleichheiten aufzuheben.
  • Datenschutz: Eine digitale Umgebung, in der immer mehr Daten gesammelt und ausgewertet werden, bietet eine größere Angriffsfläche für Cyberkriminelle. Konsequenter Datenschutz, Cybersicherheit und Sensibilisierung von Nutzerinnen und Nutzern sind entscheidend, um dieser Gefahr vorzubeugen.
  • Infrastruktur: Die besten Gesetze und Förderungen nützen nichts, wenn die infrastrukturellen Voraussetzungen fehlen. Diese müssen teils noch geschaffen werden, angefangen bei einem schnellen Breitband-Internetzugang für alle.
  • Rebound-Effekte: Nachhaltige Lösungen führen oft zu geringeren Kosten, wodurch die Produktivität einer Volkswirtschaft ansteigen kann. Die gesteigerte Produktivität kann wiederum zu einem größeren Ressourcenverbrauch führen und der ursprünglichen Intention der Nachhaltigkeit zuwiderlaufen.  Verschiedene Kontrollmechanismen, wie etwa die regelmäßige Überprüfung von Förderungen, können dabei helfen, Rebound-Effekte gering zu halten.

Förderungen für Unternehmen

Ein wichtiges Instrument im Rahmen der Twin Transition sind öffentliche Förderungen. Sie kommen Unternehmen und Organisationen zugute, die ihre Maßnahmen im Bereich der Digitalisierung mit Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit verknüpfen.

So können sich aktuell mittlere und größere Unternehmen mit einschlägigen Projekten für ein Twin-Transition-Zuschussprogramm beim Austria Wirtschaftsservice (aws) bewerben. Die Projekte müssen in Österreich durchgeführt werden und ein Investitionsvolumen von mindestens vier Millionen Euro haben. Weitere Förderungen sind in nächster Zukunft zu erwarten.

Auch Auszeichnungen und Preise dienen der EU als Instrument zur Umsetzung der Twin Transition: Der Green Business Data Award zeichnet innovative Unternehmen aus, die mit digitalen Lösungen die Welt ein Stück nachhaltiger machen.

In der Schnittmenge von digitaler und grüner Transformation entstehen außerdem zahlreiche neue Tätigkeiten, die den digitalen und grünen Wandel voranbringen. Dazu zählen etwa Energietechnik für erneuerbare Energien, Haustechnik für Gebäudeautomation (Smart Homes) und viele andere moderne Berufsfelder. Einen Überblick bietet das AMS Berufslexikon.

Tipp

Unterstützung für KMU gibt es auch im Bereich der Cybersicherheit. Unser Beitrag „Für mehr Cybersicherheit: Beratung und Förderungen für Unternehmen“ listet die wichtigsten Angebote auf.

Letzte Aktualisierung: 17. Jänner 2025

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria