Digitale Kompetenz in der Landwirtschaft wird immer wichtiger [Interview]
Landwirtinnen und Landwirte verwenden immer mehr digitale Tools. Markus Gansberger vom Francisco Josephinum in Wieselburg erklärt, wie Feldroboter und Drohnenbilder das Berufsbild verändern.
Auch die Landwirtschaft der Zukunft wird noch auf echten Äckern, mit echten Pflanzen und mit lebenden Tieren betrieben werden – aber unterstützt von vielen verschiedenen digitalen Technologien. Einige „Digital Farming“-Elemente haben in Österreichs landwirtschaftlichen Betrieben schon Einzug gehalten. Vom automatisch übers Feld gelenkten Traktor über Drohnenbilderanalysen bis hin zu Melkrobotern – vor allem junge Landwirtinnen und Landwirte sind neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen und wollen sie in ihre Arbeit integrieren.
Agrartechnologie und Digital Farming
Das Bildungszentrum Francisco Josephinum im niederösterreichischen Wieselburg ist einer der renommiertesten Orte in Österreich, wenn es um Forschung und Vermittlung rund um „Digital Farming“ geht: Sowohl Oberstufenschülerinnen und -schüler an der dortigen HBLFA als auch Fachhochschul-Studierende eignen sich in Wieselburg Kompetenzen in digitaler Landwirtschaft an. Markus Gansberger, der Leiter des FH-Studiengangs „Agrartechnologie und Digital Farming“, erklärt im Interview, welche Herausforderungen auf Landwirtinnen und Landwirte zukommen, wenn die Bauernhöfe immer „digitaler“ werden.
Digitale Techniken werden die Landwirtschaft in den kommenden Jahren immer stärker prägen. Welche digitalen Kompetenzen können sich junge Landwirtinnen und Landwirte am Francisco Josephinum aneignen?
Markus Gansberger: Die Digitalisierung spielt in den verschiedenen Ausbildungen am Francisco Josephinum eine sehr große Rolle. In der Schule wird seit 2019 die Fachrichtung „Informationstechnologie in der Landwirtschaft“ angeboten. Dort erlangen Schülerinnen und Schüler zunächst landwirtschaftliche Grundkenntnisse, bevor sie sich ab der 11. Schulstufe in Richtung IT und Softwareentwicklung spezialisieren und schließlich maturieren. Ein Jahr davor haben wir ebenfalls am Campus Francisco Josephinum in Kooperation mit der Fachhochschule Wiener Neustadt den Bachelorstudiengang „Agrartechnologie & Digital Farming“ gestartet, wo die Studierenden im tertiären Bildungsbereich zukunftsweisend ausgebildet werden.
Zudem haben wir am Francisco Josephinum gemeinsam mit weiteren österreichischen Bildungs- und Forschungseinrichtungen die „Innovation Farm“ aufgebaut. Sie spielt nicht nur in der Ausbildung der Schülerinnen und Schüler sowie der FH-Studierenden eine wesentliche Rolle, sondern auch in der Erwachsenenbildung. Das Ziel ist der Auf- und Ausbau der digitalen Kompetenzen bei den landwirtschaftlichen Betrieben. Hierzu werden nutzbringende Lösungen in der Praxis getestet und die Erkenntnisse greifbar vermittelt. Im Mittelpunkt muss dabei stets der Nutzen stehen, wie etwa eine verbesserte Effizienz beim Betriebsmitteleinsatz oder eine spürbare Arbeitserleichterung.
Können Sie Beispiele nennen, wo sich die Digitalisierung in der Landwirtschaft heute schon durchgesetzt hat?
Gansberger: Wir haben in ganz Österreich mittlerweile rund 15.000 automatische Lenksysteme im Einsatz. Das sind Systeme am Traktor oder am Mähdrescher, die mittels Satellitensignal das Fahrzeug automatisch in der Spur halten – und zwar auf zwei Zentimeter genau. Diese Systeme sind für viele Landwirtinnen und Landwirte so etwas wie der „Einstieg“ ins Digital Farming. Sie sind leicht installiert und bringen wegen der hohen Genauigkeit einen schnellen Nutzen. Bei uns am Francisco Josephinum kann man lernen, wie man solche Lenksysteme effektiv anwendet, zum Beispiel für eine teilflächenspezifische Bewirtschaftung. Darin liegt ein hohes Potenzial. Weiters kommen auch zunehmend Roboter zum Einsatz, wo ansonsten viel Handarbeit notwendig ist. Auf den österreichischen Feldern haben wir mittlerweile rund 20 Hackroboter im Einsatz, die zur Unkrautbekämpfung eingesetzt werden. Aber auch andere Robotertypen werden weltweit entwickelt und halten langsam Einzug.
„Digitale Grundbildung“ ist seit 2022 auch ein verpflichtendes Unterrichtsfach an Österreichs Mittelschulen und Gymnasien. Welche Kompetenzen dort im Fokus stehen, erfahren Sie im Experteninterview „Digitale Grundbildung in der Schule: Was wird vermittelt?“
Auch im Stall kann viel Handarbeit durch innovative Technik ersetzt werden. Welche Systeme sind hier bereits im Einsatz?
Gansberger: In Österreichs Ställen sind heute bereits etwa 2.000 Melkroboter im Einsatz. Eine zusätzliche Automatisierung schaffen Entmistungs- oder Futteranschieberoboter. Viele dieser Technologien liefern auch wertvolle Daten, die miteinander vernetzt und fürs Herdenmanagement genutzt werden. Damit kann der Betrieb effizienter und präziser werden. Dazu kommen auch noch Drohnenaufnahmen von Feldern. Sie werden meist von Dienstleistern gemacht und den landwirtschaftlichen Betrieben über Applikationskarten angeboten. Das sind digitale Karten der Felder, auf denen die Landwirtin oder der Landwirt verschiedene Eigenschaften der unterschiedlichen Bereiche erkennen kann – zum Beispiel Unkrautnester, die dann gleich bekämpft werden können. Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass digitale Anwendungen sich nur dann durchsetzen, wenn sie nutzerfreundlich sind. Wenn ihr Nutzen nicht klar genug ist und ihr Einsatz nicht wirtschaftlich, überwiegt bei den meisten Landwirtinnen und Landwirten die Skepsis.
Der digitale Aktionsplan der österreichischen Bundesregierung beinhaltet auch strategische Ziele für den Bereich Landwirtschaft. Informationen hierzu finden Sie im folgenden Folder:
Wer treibt die Entwicklungen am Digital-Farming-Markt? Sind es die großen Konzerne, kleine Start-ups, die Hochschulen?
Gansberger: Große Unternehmen von Digital-Farming-Systemen haben im Lauf der Zeit natürlich auch sehr große Datenmengen gesammelt – womit sie Startvorteile haben. Deshalb beherrschen sie auch den Markt. Es gibt in dieser Branche aber auch viele kleine Start-ups. Manche von ihnen beweisen, dass große Datenmengen nicht alles ist. Wenn ein Produkt oder eine App gut auf den praktischen Einsatz auf dem Acker oder im Stall ausgelegt ist, ist sie oft besser als eine App, die zwar auf riesigen Datenbanken aufbaut, aber an den Arbeitsabläufen im Betrieb vorbeikonzipiert ist.
Daten sind also ein heiß umkämpftes Gut?
Gansberger: Ein hochwertiger Datensatz ist die Basis jeder guten Anwendung. Deshalb wäre es so wichtig, dass wir in der Forschung und Entwicklung einen leichteren Zugang zu Daten bekommen, die von privaten Herstellern auf den Feldern in aller Welt generiert werden. Es gibt einige Initiativen in Österreich, um verfügbare Daten zugänglich zu machen. Zudem haben wir Forschungsprojekte, um sehr gezielte Aufnahmen zu machen, wo der Anwendungsfall bereits feststeht.
Seit dem letzten Jahr gibt es ein großes EU-Projekt namens AgriFoodTEF, das Unternehmen bei der Entwicklung von nutzbringenden Lösungen im Agrar- und Ernährungsbereich, die noch nicht marktfähig sind, unterstützt. Auch das Francisco Josephinum ist bei AgriFoodTEF dabei. Wir bieten vor allem kleineren Tech-Unternehmen zahlreiche Services und Testfelder an, um Trainingsdaten zu generieren und um ihre KI- und Robotiklösungen zu testen und zu validieren.
Gibt es im Bereich des Digital Farmings auch schon Cyberkriminalität?
Gansberger: Der landwirtschaftliche Familienbetrieb ist von Cybercrime weniger betroffen. Viele Landwirtinnen und Landwirte sehen eher die Gefahr eines möglichen „gläsernen Bauernhofs“, also dass irgendwann in der Zukunft staatliche Behörden komplette Einsicht auf alle ihre generierten Daten haben könnten. Betroffen von der Cyberkriminalität sind vielmehr Unternehmen in vor- und nachgelagerten Bereichen. Ich kenne beispielsweise eine Molkerei, die gehackt und dann erpresst wurde. Anderweitige Gefahren können, wie auch in anderen Branchen, Sabotage, Spionage oder Diebstahl von sensiblen Daten sein. Insofern sind Maßnahmen zur Stärkung der IT-Sicherheit auch in der Landwirtschaft sehr wichtig. Insbesondere auch deswegen, weil sie für die Versorgungssicherheit der Bevölkerung essenziell ist und damit zur kritischen Infrastruktur des Landes zählt.
Ist das politische und wirtschaftliche Umfeld in Österreich innovationsfreundlich genug, was Digital Farming angeht?
Gansberger: In den letzten Jahren wurden in Österreich im Bereich Digital Farming einige sehr gute Initiativen gesetzt. Im Landwirtschaftsministerium bekommt das Thema eine hohe Aufmerksamkeit. So wurde etwa 2020 die „Innovation Farm“ gestartet, um die Organisationen und damit die Kompetenzen rund um die Digitalisierung in der Landwirtschaft zu vernetzen. Woran es noch etwas mangelt, ist die digitale Infrastruktur – aber auch hier sind Initiativen in Diskussion, wie die Etablierung eines Agrar-Daten-Hubs, der von allen Stakeholdern genutzt werden kann, oder eines KI-Kompetenzzentrums.
Mehrere Fachhochschulen in Österreich bieten verschiedene landwirtschaftliche Fachausbildungen an, wobei der Technologieaspekt immer wichtiger wird. Einen Überblick über alle Studienangebote finden Sie auf der Website des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft.
Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria