Digitale Grundbildung in der Schule: Was wird vermittelt? [Interview]

Das Schulfach „Digitale Grundbildung“ soll Schülerinnen und Schülern helfen, die Welt der Computer und des Internets zu verstehen. Martin Bauer, Chief Digital Officer im Bildungsministerium, erklärt im Interview, warum das neue Fach so wichtig ist und wie Lehrkräfte es gestalten können.

Drei Kinder liegen am Boden und lernen mit einem Laptop für die Schule
Das Unterrichtsfach "Digitale Grundbildung". Foto: Adobe Stock

Alle 10- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schüler in Österreich haben seit 2022 das Pflichtfach „Digitale Grundbildung“. Was war die Absicht des Bildungsministeriums hinter diesem neuen Fach?
Martin Bauer: Das Fach „Digitale Grundbildung“ soll drei Bereiche abdecken: Zum ersten die Medienbildung, also den sicheren Umgang mit dem Internet, zum zweiten die Anwendungskompetenz, also den sicheren Umgang mit Applikationen wie zum Beispiel Office-Programmen, und zum dritten die Informatik, also technisches Wissen. Die Konzeptionsphase für dieses neue Schulfach hier am Bildungsministerium war ein sehr ausführlicher und langwieriger Prozess: Wir haben einerseits Lehrpersonen um ihren Input gebeten und andererseits Expertinnen und Experten von Pädagogischen Hochschulen und Universitäten. Es war uns immer wichtig, in diesem Fach die beiden Bereiche Medienbildung und Informatik gleichermaßen vorkommen zu lassen. Wir konnten außerdem auf dem Framework der Europäischen Union für Digitale Kompetenz aufbauen sowie auf dem nationalen Kompetenzrahmen DigComp AT. Damit fügen sich die Lehrpläne auch in die Digitale Kompetenzoffensive des Bundeskanzleramts nahtlos ein.

Können Sie kurz erläutern, welche Debatten in der Konzeptionsphase zwischen den Expertinnen und Experten in geführt wurden.
Bauer: Die inhaltlichen Streitpunkte entbrennen in dieser Debatte immer an denselben Stellen. Es gibt die eine Gruppe von akademischen Expertinnen und Experten, die den Bereich der Medienbildung für das Wichtigste halten, und es gibt die andere Gruppe, die das Informatik-Wissen als grundlegend für digitale Kompetenz ansehen. Beide Gruppen haben auch gute Argumente. Aber ich denke, es ist eben beides notwendig und gleich bedeutsam. Medienbildung brauchen Schülerinnen und Schüler, damit sie sich sicher im Internet und generell mit Informationstechnologie bewegen können. Informatik-Wissen brauchen sie, damit sie auch verstehen, wie Dinge funktionieren – und kreativ etwas mit dieser Technik umsetzen können.

Bekommen Sie auch Rückmeldungen von den Schulen, wie gut das Fach bis dato „funktioniert“? Reagieren Sie auch darauf?
Bauer: Ja, wir gehen auf Rückmeldungen der Schulen ein und reagieren insbesondere auf aktuelle Entwicklungen. Wir versuchen dann, die Lehrkräfte zu unterstützen, etwa durch neugestaltete Lehrmaterialien, die direkt im Unterricht eingesetzt werden können. Natürlich wird Feedback auch in eine spätere Überarbeitung des Lehrplans einfließen.

Welche Qualifikationen müssen Lehrerinnen und Lehrer mitbringen, die das Fach unterrichten? Werden sie eigens dafür ausgebildet?
Bauer: Es gibt einen eigens entwickelten Lehrgang an den Pädagogischen Hochschulen, den mittlerweile auch bereits über 1.000 Lehrpersonen besucht haben. Ich glaube aber, das Wichtigste ist eine gewisse Begeisterung für das Fach an sich. Die Inhalte kann und soll man sich natürlich auch laufend selbst beibringen – ganz im Sinne eines „Lifelong Learning“.

Werden das Thema Social Media und der Umgang damit ebenfalls im Unterricht reflektiert?
Bauer: Die Reflexion von Social Media ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Medienbildung. Es geht hier etwa darum, wirklich zu verstehen, wie die Geschäftsmodelle der Social-Media-Unternehmen funktionieren, warum wir als Nutzerinnen und Nutzer welche Inhalte sehen, warum alles auf eine möglichst hohe Nutzungsdauer, also „Bildschirmzeit“, angelegt ist. Es geht darum, die Gefahren dahinter zu erkennen, auch zu verstehen, wie das technisch aufgebaut ist und wie das psychologisch funktioniert. Ich halte es für sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche die Hintergründe von Social Media verstehen, um diese für sich selbst besser einordnen zu können. Das ist Medienbildung.

Hinweis

Viele digitale Anwendungen können im Schulkontext und im selbständigen Lernen hilfreich und sinnvoll eingesetzt werden. Anregungen finden Sie auf dieser Website sowie in den folgenden Artikeln:

Denken Sie, dass Schülerinnen und Schüler ihr Mediennutzungsverhalten besser reflektieren, wenn sie in der Schule etwas über Social Media lernen müssen?
Bauer: Ich bin davon überzeugt, dass Medienbildung dazu beiträgt, kritischer zu hinterfragen, wie man selbst digitale Medien verwendet. Wir sehen diesen Effekt auch in Studien: Je höher die digitale Kompetenz eines Menschen, desto sinnvoller beschäftigt er sich auch mit digitalen Medien. Medienbildung sollte deshalb auch möglichst früh beginnen. Aus diesem Grund kommen die Verwendung digitaler Geräte und der Umgang mit Medien auch schon im Lehrplan der Volksschule integrativ vor, das heißt inhaltlich eingebettet in den „normalen“ Unterricht.

Die digitale Welt ist schnelllebig und bringt laufend neue Technologien hervor. Können Lehrerinnen und Lehrer da überhaupt inhaltlich am Ball bleiben?
Bauer: Wir müssen einfach anerkennen, dass Lehrkräfte auf der einen Seite und Schülerinnen und Schüler auf der anderen Seite unterschiedliche Mediennutzungsverhalten haben. Hier kann und soll deshalb auch ein Voneinanderlernen stattfinden. Das heißt, auch die Lehrpersonen lernen sehr viel von den Schülerinnen und Schülern, etwa über Mediennutzung: Welche Apps sind im Trend, welche sozialen Medien werden aktuell verwendet, welche Videos sind angesagt? Es ist eminent wichtig für einen gelungenen Unterricht in „Digitaler Grundbildung“, dass sich Lehrerinnen und Lehrer über all diese Dinge mit ihren Schülerinnen und Schülern austauschen – und so eine gemeinsame Ebene des kritischen und gemeinsamen Lernens etablieren.

Tipp

Lehrerinnen und Lehrer können auf verschiedene Inspirationsquellen und Lehrmaterialien für ihren Unterricht in Digitaler Grundbildung zurückgreifen. Einige nützliche Links finden Sie hier:

  • Interaktive Unterrichtsmaterialien in der Eduthek
  • Anregungen zur Unterrichtsgestaltung bei Saferinternet.at
  • Links und Anregungen auf LehrerInnenWeb des Vereins Wiener Bildungsserver
  • Eine Link- und Materialsammlung des Wiener Lehrers Thomas Felzmann
  • Informationsseite des Schulbuchverlags ÖBV
Letzte Aktualisierung: 31. Oktober 2024

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria