Energiegemeinschaften: Vor- und Nachteile des smarten Energie-Sharings

Mit Energiegemeinschaften kann Energie über Grundstücksgrenzen hinweg gemeinsam genutzt werden. Welche Vor- und Nachteile das für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeuten kann, erklärt Leonhard Esterbauer im Interview.

Smart City Konzept mit Stadtsilhouette
Energie-Sharing.  Foto: Adobe Stock

Hohe Energiekosten stellen für viele Verbraucherinnen und Verbraucher eine Herausforderung dar. Smarte Energiegemeinschaften haben das Ziel, dass Nutzerinnen und Nutzer auf weniger externe Energie angewiesen sind und somit unabhängiger von stark schwankenden Marktpreisen werden. Doch wie funktionieren diese Energiegemeinschaften, und welche Voraussetzungen braucht es für eine Beteiligung? Leonhard Esterbauer, Forscher in der Automation Systems Group an der Technischen Universität Wien, beantwortet diese Fragen und erklärt außerdem, auf welche sicherheitsrelevanten Aspekte Nutzerinnen und Nutzer smarter Energiegemeinschaften achten sollten.

Wie funktionieren smarte Energiegemeinschaften? Welche Idee liegt ihnen zugrunde?
Leonhard Esterbauer: Grundsätzlich sind Energiegemeinschaften abrechnungstechnische Konstrukte, die vorerst nichts an den physischen Gegebenheiten ändern. Das bedeutet, wenn ich eine Photovoltaikanlage besitze, die zuvor ins Stromnetz eingespeist hat, wird sie auch weiter Strom einspeisen, auch wenn ich Teil einer Energiegemeinschaft bin. Der Unterschied ist, dass ich den erzeugten Strom nicht mehr vollständig über ein Energieunternehmen abrechnen muss, sondern ihn auch Personen in der Energiegemeinschaft anbieten kann. Umgekehrt kann ich als verbrauchende Person einen Teil der benötigten Energie über die Energiegemeinschaft beziehen und bin nicht mehr zu 100 Prozent an das Energieunternehmen gebunden.

Das Ziel einer Energiegemeinschaft ist nun, dass so viel erneuerbare Energie wie möglich in der Gemeinschaft gehalten wird. Im besten Fall heißt das, dass sich Energieproduktion und -verbrauch innerhalb der Gemeinschaft decken und die Mitglieder somit auf weniger externe Energie angewiesen sind. In einer smarten Energiegemeinschaft sind zu diesem Zweck die verbrauchenden und produzierenden Geräte miteinander vernetzt und können sich abstimmen, um eine effiziente Energienutzung zu erreichen. Das bedeutet zum Beispiel, dass meine Photovoltaikanlage dem E-Auto meiner Nachbarin, die auch in der Energiegemeinschaft ist, Bescheid gibt, dass gerade viel Strom vom Dach kommt und es den Ladevorgang starten kann.

Welche Energieformen dürfen Energiegemeinschaften nutzen?
Esterbauer: Im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz ist im Kapitel der erneuerbaren Energiegemeinschaften immer von Energie generell die Rede. Das heißt, praktisch jede Energieform aus erneuerbaren Quellen ist erlaubt. Nichtsdestotrotz schränken andere Gesetze beziehungsweise die Infrastruktur und der Verbrauch in Österreich die Energieformen auf Strom, Wärme und Gas ein. Etwas anders ist es hingegen bei Bürgerenergiegemeinschaften. Diese spezielle Form von Energiegemeinschaften ist im Elektrizitätswirtschaftsgesetz definiert und begrenzt sich ausschließlich auf Strom als abrechenbare Energieform.

Welche rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um eine Energiegemeinschaft zu gründen beziehungsweise sich an einer Energiegemeinschaft zu beteiligen?
Esterbauer: Zuerst wird eine passende Rechtsform benötigt, um die Einzelheiten der Gemeinschaft auch rechtlich definieren und adressieren zu können. Zu diesem Zweck kann beispielsweise ein Verein, eine Genossenschaft oder eine Kapitalgesellschaft gegründet werden. In den Satzungen beziehungsweise Vereinsstatuten werden anschließend Details wie der Energiepreis oder der Aufnahmeprozess für neue Mitglieder geregelt. Zum anderen ist es wirtschaftlich wichtig, dass eine Energiegemeinschaft nicht gewinnorientiert arbeitet. Aus technischer Sicht kommen die Voraussetzungen auf die Energieform an, die in der Gemeinschaft ausgetauscht werden soll. So gibt es bei Wärme und Gas noch keine generellen Lösungen. Bei Strom hingegen sieht die Gesetzgebung vor, dass eine Art von intelligentem Messgerät verfügbar sein muss. In den meisten Fällen heißt das, ein Smart Meter muss im Zählerkasten verbaut sein.

Welche Vor- und Nachteile haben smarte Energiegemeinschaften für Mitglieder?
Esterbauer: Für mich als Einspeiserin oder Einspeiser beziehungsweise Verbraucherin oder Verbraucher ist ein zentraler Vorteil, dass ich die Abhängigkeiten zu Energieunternehmen verringere und so unabhängiger von externen Einwirkungen wie zum Beispiel schwankenden Marktpreisen werde. Zusätzlich kann ich als Verbraucherin oder Verbraucher in der Energiegemeinschaft Stromkosten einsparen. Das funktioniert zum einen über selbst definierte Strompreise und zum anderen über reduzierte Netzentgelte für lokal verbrauchten Strom. Als Nachteil sehe ich hauptsächlich die organisatorischen Hürden, wie die Gründung und den Betrieb der Energiegemeinschaft, oder das Herausfinden von Optimierungspotenzialen. All das bedeutet Aufwand für die Mitglieder, vor allem wenn es in die Richtung Digitalisierung und Smartness geht. Zusätzlich können auch Investitionen in neue Hardware nötig sein, um Geräte in eine Energiegemeinschaft einzugliedern. Diese können eine finanzielle Hürde darstellen.

Hinweis

Welche Möglichkeiten Ihnen intelligente Technik in den eigenen vier Wänden bieten kann, erfahren Sie im Beitrag „Smart-Home-Systeme für die Familie: Anwendungen und Sicherheit“.

Was gilt es ganz grundsätzlich unter dem Blickwinkel der Cybersicherheit für smarte Energiegemeinschaften zu beachten?
Esterbauer: Die Vernetzung von smarten Geräten im Eigenheim oder in Firmengebäuden bringt natürlich sicherheitstechnische Probleme mit sich. Eines der wohl gravierendsten Probleme ist dabei, wenn sich jemand unerlaubt Zugriff auf meine Geräte verschafft. Dies kann aus mehreren Gründen passieren. Zum einen ist es möglich, dass das Sicherheitsproblem durch einen externen Service entsteht. In diesem Fall sollte sofort Kontakt mit dem Serviceanbieter aufgenommen werden, damit die Sicherheitslücke so rasch wie möglich behoben wird. Zum anderen können Sicherheitsrisiken auch bei den eigentlichen Geräten auftreten. So ist es beispielsweise möglich, dass ein Softwarefehler auf dem Gerät zu einer Sicherheitslücke führt. Im schlimmsten Fall verursacht eine solche Sicherheitslücke, dass Unbefugte volle Kontrolle über das Gerät oder das lokale Netzwerk erhalten. Zu guter Letzt ist das Thema Datenschutz wichtig. Sobald ich meine Daten weggebe oder jemand anderer Zugriff hat, besteht das Risiko des Missbrauchs. Dies kann selbst dann Auswirkungen haben, wenn kein direkter Zugriff auf Geräte erfolgt. Beispielsweise ist es möglich, nur anhand der Stromverbrauchsdaten herauszufinden, wann jemand zu Hause ist oder in manchen Fällen sogar, welche Geräte wann eingeschaltet waren.

Welche konkreten Empfehlungen haben Sie für Mitglieder von Energiegemeinschaften hinsichtlich der sicheren Verwendung vernetzter Daten?
Esterbauer: Wie überall im Internet ist es wichtig zu schauen, welche meiner Daten wie und wo verarbeitet werden. Grundsätzlich gilt: Ein Dienst sollte nur die Daten sammeln, die auch wirklich für den Betrieb benötigt werden. Zusätzlich sollte immer hinterfragt werden, warum die Daten irgendwo hingesendet oder gesammelt werden müssen. Dubiose Cloud-Geräte sind ein negatives Beispiel dafür, und der Einsatz solcher Geräte sollte generell hinterfragt werden. Man soll daher nur Dienstleister engagieren, die schon hohe Reputation oder durch unabhängige Kontrollen Vertrauen aufgebaut haben. Unternehmen führen zu diesem Zweck meist externe Audits oder Sicherheitszertifizierungen durch und geben die Ergebnisse öffentlich bekannt. Im normalen Einsatz gilt es die Geräte regelmäßig mit Updates zu versorgen. So können Sicherheitslücken und andere Softwarefehler nachträglich behoben werden. Zusätzlich ist es bei vielen Routern auch möglich, lokale Kommunikation von Geräten zu restriktiveren oder in einem eigenen Netzwerk zu isolieren, um vorbeugend den Schaden auf einzelne Geräte zu beschränken.

Tipp

Allgemeine Informationen zur Absicherung von Smart-Home-Systemen finden Sie auch hier

Wo können sich Interessierte über smarte Energiegemeinschaften informieren und beraten lassen?
Esterbauer: Es gibt bereits einige Unternehmen, die sich auf die Beratung von Energiegemeinschaften spezialisiert haben und auch zeigen, wie die Gründung und der Betrieb funktionieren. Da es jedoch in jedem Bundesland eigene Anforderungen und Möglichkeiten gibt, ist die Website der österreichischen Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften wohl die beste Informationsquelle für themenspezifische Fragen. Auf der Website befinden sich neben Sammlungen von beratenden Unternehmen auch Informationen zu Veranstaltungen.

Welche Entwicklungen erwarten Sie für smarte Energiegemeinschaften in den nächsten Jahren?
Esterbauer: Ein Zukunftsbild, das sich bereits jetzt abzeichnet, ist die Entwicklung eines Dienstleistungssektors für Energiegemeinschaften. Das heißt, dass Abläufe, die jemand nicht selbst erledigen möchte – wie zum Beispiel eine Energiegemeinschaft zu betreiben oder sich mit rechtlichen Rahmenbedingungen auseinanderzusetzen – von beratenden Firmen im Energiesektor durchgeführt werden. Auch neue technische Dienstleistungen sind denkbar. Beispiele dafür sind etwa die Einschätzung der jeweiligen Ausgangslage, das Aufsetzen der dafür geeigneten digitalen Infrastruktur oder die Anbindung an bestehende Smart-Home-Systeme. Ein weiteres Konzept ist das Angebot für eine automatisierte Optimierung beispielsweise bei E-Autos oder Wärmepumpen. Zu diesem Zweck könnten Unternehmen ihre Algorithmen als Service anbieten und registrierte Geräte so ansteuern, dass der interne Verbrauch in der Gemeinschaft optimiert wird. Um das zu erreichen, werden sich in den nächsten Jahren einfachere Prozesse und Standards herauskristallisieren. Vor allem aus technischer Sicht werden Eigenschaften wie Gerätekompatibilität und Offenheit wichtiger werden, um ein Ökosystem an Services zu ermöglichen. Durch dieses Vorgehen wäre außerdem gewährleistet, dass wir zukunftssichere Lösungen aufbauen, um das Energienetz optimal für kommende Anwendungen vorzubereiten.

Hinweis

Interessentinnen und Interessenten finden weiterführende Informationen auf der Website der österreichische Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften.

Letzte Aktualisierung: 28. April 2023

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria