Virtual Reality in der Schmerztherapie: Einsatz, Erfahrungen und Potenziale
VR-Brillen kommen, neben Unterhaltungszwecken im privaten Umfeld, vermehrt für therapeutische Zwecke zum Einsatz. Dabei bleiben Daten und Privatsphäre in der Regel geschützt. Wie mit VR körperliche Schmerzen behandelt werden können, erklärt der Physiotherapeut Herbert Schachner-Nedherer im Interview anhand der Anwendung bei Phantomschmerzen nach Amputationen.
Virtual Reality findet verstärkt Einzug in medizinische, psychologische und physiotherapeutische Therapien. Dazu zählt auch der Einsatz in der Schmerztherapie. Der Physiotherapie-Experte Herbert Schachner-Nedherer von der Fachhochschule Gesundheitsberufe Oberösterreich erzählt im Interview von seinen Erfahrungen mit der Technologie und welche Potenziale für ihren Einsatz er in seinem Berufsfeld sieht.
Warum eignet sich Virtual Reality für den Einsatz in der Schmerztherapie?
Herbert Schachner-Nedherer: Man muss zunächst unterscheiden: Wird das Schmerzgeschehen direkt am Körper und dort als Erkrankungsprozess verspürt? Oder – und das ist bei chronischen Schmerzen oftmals der Fall – haben bereits Veränderungen im Gehirn aufgrund langjähriger Schmerzen stattgefunden? Virtual Reality kann für letztere Problemstellung angewandt werden und hat den Vorteil, genau an jenen Stellen im Gehirn ansetzen zu können, an denen die Schmerzverarbeitung stattfindet. Daher kann über einen Input mit Virtual Reality auf gewisse Formen von chronischen Schmerzen Einfluss genommen werden.
Hinweis
Im medizinischen Bereich werden meist spezielle VR-Brillen ohne Internetanschluss verwendet. Dabei werden keine sensiblen Daten von Patientinnen und Patienten gesammelt oder weitergegeben. Im privaten Kontext kommen hingegen häufig internetfähige Geräte zum Einsatz, die für Hacking, Ransomware und Datendiebstahl anfällig sind. Besonderes Augenmerk sollten Anwenderinnen und Anwender auch auf den herstellerseitigen Datenschutz legen: Was geschieht mit den (biometrischen) Daten, die über VR- oder AR-Brillen gesammelt werden könnten?
Sie arbeiten mit Virtual und Augmented Reality in der Behandlung von Phantomschmerzen nach Amputationen. Wie funktioniert das in der Praxis?
Schachner-Nedherer: Phantomschmerzen sind zu einem Großteil durch Veränderungen im Gehirn bedingt. Wir haben mit einem in Schweden entwickelten System gearbeitet, das sowohl Virtual als auch Augmented Reality nutzt. Patientinnen und Patienten erhalten mithilfe dieser Technologie sensorische Informationen, die dann von den noch vorhandenen Extremitäten an das Gehirn und wieder retour geleitet werden. Zusätzlich erhält das Gehirn einen Bewegungsauftrag. Dieses System ist technisch komplex und aufwändig – sowohl hinsichtlich der Hardware als auch der Software.
Wer darf Virtual Reality in der Schmerztherapie anwenden? Braucht es dafür spezielle Ausbildungen oder Schulungen?
Schachner-Nedherer: Es geht hier um die Behandlung von Patientinnen und Patienten. Das heißt, nur Berufsgruppen, die dafür eine Legitimation haben, können eine Behandlung durchführen. Bezüglich des Know-hows für Virtual Reality gibt es keine Auflagen. Bei Phantomschmerzen etwa sollten nur Berufsgruppen anwenden, die Kenntnisse über die Vorgänge im Gehirn und in den Extremitäten haben.
Können Patientinnen und Patienten Virtual Reality auch selbständig, wie eine Art Training, anwenden oder braucht es dafür immer eine fachliche Begleitung?
Schachner-Nedherer: Patientinnen und Patienten können im Zuge der Phantomschmerzbehandlung auch von zu Hause aus trainieren. Dafür muss ihnen die benötigte Hard- und Software zur Verfügung gestellt werden, weil diese speziellen Geräte nicht auf dem Markt erhältlich sind.
Hinweis
Mit folgenden Sicherheitsmaßnahmen bleiben Anwenderinnen und Anwender von VR- und AR-Brillen auch im privaten Umfeld weitgehend vor Cyberattacken geschützt:
- Datenschutzrichtlinien des Herstellers überprüfen
- Weitergabe von persönlichen Informationen, sofern nicht erforderlich, vermeiden
- Private WLAN-Netzwerke vor Fremdzugriff absichern
- VPN (Virtual Private Network) installieren beziehungsweise aktivieren
- Software (der VR- oder AR-Brille) auf dem neuesten Stand halten
- Antivirenprogramme nutzen
Wie reagieren Patientinnen und Patienten auf den Einsatz von Virtual Reality in der Therapie?
Schachner-Nedherer: Bei der Phantomschmerzbehandlung sehen Patientinnen und Patienten „sich selbst“ auf dem Bildschirm: Eine spezielle Software bastelt einen Avatar, der seine amputierte Extremität wieder als Ganzes sehen kann. Über Impulse und Signale können Patientinnen und Patienten ihre Gliedmaßen wieder bewegen – bei einem amputierten Unterarm etwa die Hand. Das ist für Patientinnen und Patienten am Anfang eine sehr intensive emotionale Erfahrung. Gleichzeitig generiert es eine sehr hohe Motivation, mit diesem System weiterzuarbeiten.
Welche Vorteile bringt Virtual Reality in der Schmerztherapie?
Schachner-Nedherer: Dieses Verfahren ist mittlerweile sehr gut untersucht und man sieht in internationalen Studien, dass Phantomschmerz-Patientinnen und -Patienten eine Erfolgsrate von über 50 Prozent in Bezug auf eine alltagsbedeutsame Schmerzreduktion aufweisen. Mit Virtual und Augmented Reality kann man sehr differenziert arbeiten. Patientinnen und Patienten erhalten direktes Feedback über die Qualität der Übung.
Wie bei vielen anderen digitalen Anwendungen stellt sich auch beim Einsatz von Virtual Reality die Frage nach IT-Sicherheitsaspekten, wie Datenschutz und Cybersicherheit. Welche Rolle spielen solche Überlegungen gerade im sensiblen Gesundheitsbereich?
Schachner-Nedherer: Als Physiotherapeut kann ich diese Frage nicht beantworten. Wir haben bei diesem Projekt mit einem Stand-alone-PC ohne Internetverbindung gearbeitet. Für die Anwendung wurden außerdem keine patientensensitiven Daten gespeichert.
Welche Potenziale sehen Sie für Virtual und Augmented Reality im Gesundheitsbereich in den kommenden Jahren?
Schachner-Nedherer: Durch die genaue Einstellung der Software motiviert man Patientinnen und Patienten spielerisch zu einem sehr exakten und differenzierten Aufgabenlösen. Das ist sicherlich ein großer Vorteil im Vergleich zu konventionellen Übungen in der Physiotherapie. Ich sehe daher eine große Chance für den Einsatz von Virtual und Augmented Reality – vor allem bei Krankheitsbildern, bei denen es eine Veränderung im zentralen Nervensystem gibt.
Hinweis
Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch den Beitrag „Augmented Reality: Cybersicherheit in der dritten Dimension“.
Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria