Social Media Challenges: Wie gefährlich ist der Trend?
Social Media Challenges, in denen sich Nutzerinnen und Nutzer einer Mutprobe stellen, machen im Netz die Runde. Ein Social-Media-Experte erklärt, welche Risiken dieser Hype mit sich bringt.
Was ist eine Social Media Challenge?
Bei einer Social Media Challenge („Challenge“, Deutsch: Herausforderung, Mutprobe) filmen oder fotografieren sich Userinnen und User bei der Bewältigung einer Herausforderung und stellen das Ergebnis ihrer „Mutprobe“ via Social Media ins Netz. Die mit entsprechenden Hashtags ausgestatteten Bilder und Videos sollen jedoch nicht nur den eigenen Mut unter Beweis stellen, sondern auch andere dazu anregen, an der Challenge teilzunehmen. Social Media Challenges können im Internet viral gehen und auch international Aufmerksamkeit erregen.
Mit der sogenannten „Ice Bucket Challenge“ wurden Social Media Challenges erstmals einem breiteren Publikum bekannt. Diese Mutprobe sollte im Rahmen einer Spendenkampagne auf die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) aufmerksam machen. Dabei filmten sich Menschen, während sie sich einen Kübel mit eiskaltem Wasser inklusive Eiswürfel – daher der Name - über den Kopf leerten. Die Fundraising-Aktion lukrierte hohe Summen an Spendengeldern für die Erforschung der Krankheit.
Die meisten Social Media Challenges dienen jedoch in erster Linie der reinen Unterhaltung. In diesem Kontext werden sie auch gerne für Marketing-Zwecke eingesetzt: Hier sind sie ein beliebtes Mittel sowohl für die Selbstvermarktung als auch für die Vermarktung von Produkten oder Brands. Die ersten Challenges wurden auf YouTube und Facebook hochgeladen. Inzwischen werden sie jedoch ebenso über Instagram und TikTok in Umlauf gebracht und geteilt. Je beliebter diese Challenges auf Social Media werden, desto häufiger werden aber auch Fälle von Nutzerinnen und Nutzern bekannt, die sich während der Mutproben ernsthaft verletzen.
Hierbei stellt sich nicht selten die Frage: Welche Gefahren und Risiken bringen Social Media Challenges mit sich? Matthias Jax, Social-Media-Experte und Projektleiter des EU-Projekts Saferinternet.at, beantwortet diese und weitere Fragen zum Thema.
Wie beliebt sind Social Media Challenges in Österreich und auf welchen Kanälen finden sie statt?
Jax: Grundsätzlich sind in Österreich Social Media Challenges genauso beliebt wie im Rest der Welt. Natürlich ist das auch themenabhängig. Der Hauptkanal dafür ist mittlerweile TikTok.
Finden Social Media Challenges in allen Altersgruppen statt?
Jax: Wir beobachten das Phänomen hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen, vor allem aber bei Jugendlichen, die auf sozialen Netzwerken wie TikTok unterwegs sind. Grenzen testen und dabei sein wollen – das sind natürliche Bedürfnisse in der Entwicklung Heranwachsender. Es gibt aber auch Challenges wie zum Beispiel die „Bottle Flip Challenge“, die ebenso von vielen Erwachsenen durchgeführt wurde.
Sind in Österreich Fälle bekannt, bei denen sich Menschen im Rahmen von Social Media Challenges verletzt haben?
Jax: Social Media Challenges sind grundsätzlich nichts Negatives. Es gibt hinsichtlich dieser Challenges ganz viele positive Aspekte. Natürlich gibt es aber auch solche, die gefährlich sein können. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass sie von Kindern und Jugendlichen ausprobiert werden, die unter Umständen nicht reflektieren, welchen Gefahren sie sich aussetzen. Das hat aber nichts mit digitalen Medien zu tun, sondern ist ein Risiko von Mutproben an sich. Bei Mutproben wie zum Beispiel dem Essen von Zimt, sollte man wissen, dass es ab einer gewissen Menge zu schweren allergischen Reaktionen kommen kann. Das wissen Kinder und Jugendliche oftmals nicht. In Österreich gibt es auch immer wieder Fälle, in denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer anderer Altersgruppen im Rahmen einer Challenge verletzt werden.
Welche Challenges waren in diesem Zusammenhang besonders gefährlich?
Jax: Da gab es zum Beispiel einen Fall, in dem Jugendliche Waschmitteltabletten gegessen haben. Auch die Fight Challenge, die zu realen Kämpfen aufrief, ist hier zu nennen. Aber das Phänomen selbst hat, wie gesagt, nichts mit Social Media zu tun und sollte im großen Kontext der Mutprobe betrachtet werden. Man nutzt lediglich diese Social Media Tools, um so etwas auszuprobieren.
Es gibt aber sicherlich auch „Mutproben“, die auf den ersten Blick harmlos erscheinen. Ein Beispiel dafür ist die „Planking Challenge“, eine der ältesten Challenges, bei der man sich mit dem Gesicht nach unten hinlegt und nicht bewegt. Diese „Mutprobe“ hat immer dann gefährlichere Ausmaße angenommen, wenn riskantere Orte aufgesucht wurden.
Warum fühlen sich vor allem Jugendliche von diesem Phänomen angesprochen?
Jax: Jugendliche fühlen sich aus meiner Sicht deswegen besonders angesprochen, weil sie sich in ihrer digitalen Lebenswelt dort bewegen, wo Challenges digital verbreitet werden. TikTok ist eine weltweit agierende Plattform, die nicht auf Österreich beschränkt ist. Sie möchten Teil dieser Community sein und das bricht in ihrem persönlichen Lebensumfeld durch, wo diese Trends dann mit Freunden ausprobiert werden. Der Drang Grenzen auszutesten, verleitet dazu mitzumachen. Es ist auch ein lustiger Zeitvertreib, der viele positive Seiten haben kann.
Was raten Sie Eltern und Jugendlichen im Umgang mit Social Media Challenges?
Jax: Eltern raten wir in erster Linie, keine Sorge und keine Angst vor Social Media Challenges, die recht negativ konnotiert sind, zu haben. Wichtig ist es, einen offenen Zugang zu diesen Themen zu haben und sich beispielsweise gemeinsam anzuschauen und zu klären, was es mit der Challenge auf sich hat und wer dahintersteht. Vielleicht kann die „Mutprobe“ auch gemeinsam umgesetzt werden.
Jugendlichen empfehlen wir immer wieder, kritisch zu hinterfragen, woher diese Challenge kommt, und auch zu reflektieren, ob man sich dabei verletzen kann.
Hinweis
Die österreichische Initiative Saferinternet.at unterstützt Kinder und Jugendliche, aber auch ihre Eltern dabei, sicher und verantwortungsvoll mit Sozialen Medien umzugehen. Auf der Website zu findende Beiträge wie „Trend-App TikTok – bedenkliche Challenges als Herausforderung“ und „Selbstverletztendes Verhalten: Essstörungen, Ritzen, Challenges & Co.“ bieten weiterführende Informationen zu dem Thema.
Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria