Sharing Mobility: Angebote und Trends mit Blick auf den Datenschutz [Interview]

Vom Leihwagen über E-Scooter bis hin zu Fahrrädern – das Angebot in Österreich erfüllt heute schon nahezu alle Wünsche. Was mit den für die Nutzung erforderlichen Daten passiert, erklärt Martin Russ von AustriaTech.

Frau sitzt in einem Car-Sharing-Auto
Shared Mobility.  Foto: Adobe Stock

Martin Russ ist Geschäftsführer der Austria Tech, einer im Jahr 2005 gegründeten Agentur des Klimaschutzministeriums, die sich vor allem mit der Transformation der Mobilität beschäftigt. Die AustriaTech wurde als Kompentenzzentrum eingerichtet, um neue Entwicklungen in Verkehrssystemen, in der Mobilitätstechnologie und in der Digitalisierung zu beobachten und zu bewerten. Außerdem agiert sie als eine Vermittlerin zwischen Politik, Forschung und Wirtschaft. 

Eines der wichtigen Zukunftsthemen, mit denen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AustriaTech beschäftigen, ist Sharing Mobility. Darunter versteht man das Teilen von Fahrzeugen, also von Autos, Fahrädern oder E-Scootern, um Energie, Geld und Platz zu sparen. Das ist auch im kleinen Rahmen, unter Freundinnen und Freunden organisiert, eine gute Idee. Im großen Stil aber wird Sharing Mobility von öffentlichen und privaten Unternehmen angeboten – meist mit Smartphone-Apps gekoppelt. Vom Handy aus öffnet man dann zum Beispiel das geteilte Auto oder entriegelt das Fahrrad. Bei der Registrierung für diese Dienste müssen die Nutzerinnen und Nutzer verschiedene persönliche Daten angeben. 

Seit mehreren Jahren gibt es in vielen Städten Sharing-Mobility-Services. Welche Daten müssen Nutzerinnen und Nutzer dabei normalerweise angeben? Und wozu werden diese Daten benötigt? 
Martin Russ: Man muss bei den meisten Sharing-Mobility-Services einige persönliche Daten hinterlegen – einen Identifikationsnachweis, die Kreditkarte und beim Carsharing etwa auch noch den Führerschein. Die Anbieter verwenden diese Daten, um ihre Services aufrechtzuerhalten und gute Qualität und faire Nutzung zu gewährleisten.  

Ist diese Art der Datenverarbeitung gesetzlich geregelt? 
Russ: Es gibt eine EU-Richtlinie zu sogenannten Intelligenten Verkehrssystemen. Hier ist klar geregelt, welche Daten der Kundinnen und Kunden erhoben werden dürfen, aber auch, welche Daten die Anbieter selbst zur Verfügung stellen müssen, damit die vielen einzelnen Services zukünftig vernetzt werden können. Das Ziel dieser Vernetzung ist zum einen die Qualität der Services zu sichern und zum anderen die Möglichkeiten für kleinere Anbieter zu verbessern. Natürlich ist es denkbar, dass ein Betreiber noch weitere Daten der Kundinnen und Kunden erhebt. Dafür braucht er aber die vertragliche Zustimmung. Grundsätzlich gilt deshalb immer: Bitte lesen Sie durch, was Sie unterschreiben. Gerade das Kleingedruckte.  

Gibt es Anbieter, die mehr Daten wollen als von der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gedeckt? 
Russ: Aktuell nein. Es gibt eher den Leidensdruck vieler Anbieter, dass sie nicht mehr Daten sammeln oder auch manche für sie hilfreichen Datensätze von anderen Anbietern zukaufen dürfen. Das sind durchaus Wünsche, die man in einem sicheren und geschützten Umfeld in Zukunft andenken könnte – wenn klar ist, dass die Daten anonymisiert sind und alle Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben.

In einer Untersuchung der deutschen Plattform mobilsicher.de wurde im Jahr 2021 herausgefunden, dass mehrere internationale E-Scooter-Sharing-Anbieter Nutzerdaten an Dritte weiterverkaufen, ohne darauf hinzuweisen. Hat sich die Situation mittlerweile verbessert? 
Russ: Man sieht leider, dass so etwas immer passieren kann. Wir sehen aber auch, dass die öffentliche Hand mit den Anbietern gemeinsam Spielregeln festlegt, gerade in großen Städten wie Wien. Leider sind und bleiben Daten eine wertvolle Währung, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Das europäische gesetzliche Rahmenwerk aus Data Act und Digital Services Act, das auch den Bereich der Sharing Mobility betrifft, ist noch relativ jung. Es ist immer darauf zu achten, neue Geschäftsmodelle und neue Märkte nicht gleich am Anfang mit zu vielen Regeln zu blockieren. Gleichzeitig müssen die Interessen der Kundinnen und Kunden ebenso gewahrt werden wie jene der Anbieter.

Wie ist Ihre Meinung zur Rolle öffentlicher Anbieter? Sollen sich Gemeinden oder der Bund aktiv im Feld der Sharing Mobility beteiligen? 
Russ: Ich bin für ein gedeihliches Miteinander, wie auch in anderen Bereichen der Mobilität. Wir sind heute bei der Sharing Mobility noch lange nicht da, wo wir sein wollen. Damit wir das Angebot zum Wachsen bringen, brauchen wir Akteure, die sich einbringen und ihre Angebote Stück für Stück verbessern. Es hilft, wenn die öffentliche Hand ein klares Bekenntnis zur Sharing Mobility gibt, sie als eine Ergänzung zum öffentlichen Verkehr auch selbst anbietet. Städte haben auch ein Interesse daran, dass der Verkehr ein „modernes Gewand“ hat, auch da können etwa Leihfahrräder helfen, die besonders für Touristinnen und Touristen attraktiv sind. Kurz gesagt: Der öffentliche und der private Sektor müssen hier Hand in Hand gehen – allein schon deshalb, um ein Monopol zu verhindern.  

Inwieweit kooperieren Sharing-Mobility-Anbieter mit Behörden, zum Beispiel durch die Weiterleitung von Daten im Schadensfall oder bei Verwaltungsübertretungen?  
Russ: Wenn Sie einen Unfall haben oder ein Strafmandat bekommen, während Sie ein Sharing-Angebot nutzen, kommt es zu einer ganz normalen Lenkererhebung, damit die Strafe eingetrieben werden kann. Darüber hinaus gibt es Kooperationen einzelner Anbieter mit der öffentlichen Hand, beispielsweise in Wien, wo die verschiedenen Scooter-Anbieter nur eine maximale Fahrzeuganzahl zur Verfügung stellen dürfen. Hier werden verschiedene Statistiken an die Stadt übermittelt, um diesen Status zu kontrollieren. Eigentlich wäre es gut, wenn hier noch mehr Daten über das Nutzungsverhalten geteilt würden, weil dann die öffentliche Hand auch sehen könnte: Wie gut wird das private Angebot angenommen? Welchen Einfluss hat Sharing Mobility auf das gesamte Verkehrssystem? 

Wer aber den Leih-Scooter im nächsten Fluss entsorgt, statt ihn ordnungsgemäß zu parken, sollte damit rechnen, dass seine Daten an die Behörden weitergegeben werden? 
Russ: Wenn es sich um keinen Unfall handelt, sondern um eine mutwillige Zerstörungshandlung, dann wird sich die Kundin oder der Kunde wohl mit der Exekutive beziehungsweise mit einem Inkassobüro herumschlagen müssen. Denn Name, Adresse und Kreditkartendaten sind ja dem Anbieter bekannt. Selbstverständlich hat dieser das Recht, dass der Schaden ersetzt wird.  

Umgekehrt gefragt: Könnte man das Einheben von persönlichen Daten als eine Art Vorkehrung gegen Vandalismus betrachten?  
Russ: Es geht um nichts anderes als „Fair Use“:  Wenn sich die Vandalismus-Fälle häufen, können Anbieter günstige Preise nicht halten. Das muss den Nutzerinnen und Nutzern klar sein. Ein Sharing-Dienst kann sich für Betreiber sowie Kundinnen und Kunden nur rechnen, wenn die angebotenen Fahrzeuge möglichst lange in einem guten Zustand bleiben. 

Die „Smart City“ ist das Zukunftsmodell einer Stadt, in der das öffentliche Leben und insbesondere den Verkehr mit digitalen Hilfsmitteln nachhaltig und effizient gestaltet wird. Bewegen wir uns da nicht ein Stückweit in eine Welt hinein, in der wir durch digitale Services ständig überwacht werden? 
Russ: Davon gehe ich nicht aus. Ich denke, dass es geboten ist, den Mehrwehrt von Daten besser zu verstehen, statt die Auswertung von Daten primär als eine Gefahr zu betrachten. Anbieter und auch Behörden wollen ja die Sicherheit und die Angebotsqualität von Mobilitätsangeboten gewährleisten. Es geht dabei nicht vorrangig um individuelle Nutzerprofile, sondern um allgemeine Bedarfe und Nachfragemuster, um am Ende einen Mehrwert und damit attraktive Dienste anzubieten. Nutzerinnen und Nutzer profitieren also vom Teilen ihrer Daten, ohne dass damit ihre Privatsphäre verletzt wird.

Sharing Mobility zielt mittel- bis langfristig darauf ab, durch Teilen die Zahl der Autos in den Städten um bis zu 20 Prozent zu reduzieren. Analysen zeigen: Durch ein stationäres Sharing-Fahrzeug können mehr als zehn Fahrzeuge ersetzt werden. Bedenken Sie, wie viele private Pkws 23 von 24 Stunden am Tag einfach nur herumstehen. Was wir alles mit dem heute als Parkplatz genutzten Raum Besseres tun könnten! Aber um das alles auch umsetzen zu können, brauchen wir eben vernetzte Daten – unter anderem von Sharing-Services. Die Frage, wer die Datenhoheit hat und was mit den Daten genau passiert, ist natürlich fundamental. Gerade deshalb wünsche ich mir die öffentliche Hand als besonders starken Akteur.

Tipp

Welche Potenziale „Smarte Cities“ bereithalten und warum die Stadt Wien als internationale beachteter Vorreiter gilt, lesen Sie hier im Interview: „Smart Cities: Entwicklungen und Herausforderungen in Wien“. 

Wie verfolgen Sie die Entwicklung von Sharing Mobility in Europa im Allgemeinen? 
Russ: Die Entwicklung in den letzten Jahren ist deutlich langsamer verlaufen, als ich sie mir erwartet hätte. Meiner Meinung nach gibt es eine politische Verantwortung, den „Sustainable Transportation Gap“ zu schließen, also die Kluft zwischen der Ist-Situation der nachhaltigen Mobilität und dem Status, wo wir hinwollen. Der öffentliche Verkehr und die E-Mobilität sind dabei wichtige Bausteine. Wir brauchen zusätzlich ein breites „On Demand“-Mobilitätsangebot wie eben Sharing-Dienste. Wir sind hier noch deutlich vom wünschenswerten Status entfernt. Übrigens gilt das nicht nur für urbane Räume. Auch in ländlichen Regionen müssen wir weit mehr alternative Angebote zum privaten Pkw schaffen.  

Auf dem Land ist Sharing Mobility oft noch ein Nischenprogramm. Wie könnte man da mehr Bewegung reinbringen? 
Russ: Es braucht ein klares Investitionsprogramm für ländliche Mobilitätslösungen. Die öffentliche Hand könnte in diesem Bereich auch Partnerschaften mit privaten Anbietern entwickeln. Ein konkreter Vorschlag wäre außerdem, die Regularien beim Bau von Mehrparteienhäusern zu ändern: Heute sind die Bauträger verpflichtet, für jede neue Wohnung einen neuen Parkplatz zu schaffen. Das ist teuer und verbraucht Ressourcen. Viel sinnvoller wäre es, die Bauträger dazu zu verpflichten, einen Mobilitätsdienst anzubieten – direkt in der Garage. Das kostet höchstens ein Drittel und bringt den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses nachhaltige und leistbare Mobilität ohne eigenes Auto. 

Sie haben vorhin vom „Kleingedruckten“ in Verträgen gesprochen, das man immer lesen sollte. Haben Sie weitere Tipps, wie Nutzerinnen und Nutzer vertrauenswürdige Sharing-Angebote schnell erkennen können? 
Russ: Das erste Vertrauenssignal ist Datensparsamkeit. Ich sollte also einer Mobilitäts-App nicht den Zugriff auf meine Kontakte gewähren müssen. Zweitens ist es ratsam, ein bisschen über den jeweiligen Anbieter zu recherchieren. Wie lange gibt es ihn schon, in welchen Ländern operiert er, macht er einen seriösen Eindruck? Drittens würde ich empfehlen, auf lokale Anbieter zu setzen. So hat man auch bei Fragen oder Problemen eine direkte Kontaktmöglichkeit.  

Hinweis

Angebote rund um Sharing Mobility werden in modernen Städten stetig ausgebaut. In Wien ist sie ein integraler Bestandteil des Smart-City-Konzepts. Welche IT-Risiken sich durch die zunehmende Vernetzung der Stadt in Zukunft ergeben könnten, lesen Sie hier: Smart Cities – Intelligente Städte dank IoT und 5G.

Letzte Aktualisierung: 2. Oktober 2024

Für den Inhalt verantwortlich: A-SIT Zentrum für sichere Informationstechnologie – Austria