Datenbasierte Optimierung in Energiegemeinschaften: So gelingt die Energiewende!
Ein Pilotprojekt der FH St. Pölten zeigt, wie smarte digitale Lösungen Verbrauch und Erzeugung von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften optimal aufeinander abstimmen können und welche Rolle Künstliche Intelligenz (KI) dabei spielt.

Die Energiewende ist ein zentrales Ziel vieler Nachhaltigkeitsstrategien und eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Neben großflächigen Lösungen wie Offshore-Windparks oder Wasserstoffprojekten gewinnen dezentrale Konzepte zunehmend an Bedeutung. Besonders vielversprechend sind Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEGs), die durch die EU-Richtlinie über erneuerbare Energien (RED II) gefördert werden. Diese Gemeinschaften ermöglichen es, lokal erzeugten Strom direkt zwischen Nachbarn zu handeln, ohne Umwege über große Energiekonzerne.
Damit dieses Modell effizient funktioniert, sind smarte digitale Lösungen notwendig. Datenbasierte Analysen, intelligente Prognosen und automatisierte Steuerungssysteme können dabei helfen, Verbrauch und Erzeugung optimal aufeinander abzustimmen. Inzwischen sind in Österreich bereits mehr als 2.000 EEGs aktiv. Ein Pilotprojekt der FH St. Pölten zeigt, wie datengetriebene Lösungen den Eigenverbrauchsanteil steigern können und welche Rolle Künstliche Intelligenz (KI) dabei spielt.
Die Herausforderung: Strom zur richtigen Zeit nutzen
Das Hauptziel einer EEG ist es, so viel Energie wie möglich innerhalb der Gemeinschaft zu verbrauchen – und zwar genau dann, wenn sie erzeugt wird. Dies reduziert den teuren Zukauf von Energiekonzernen und stabilisiert die dezentrale Energieversorgung.
Doch das ist einfacher gesagt als getan: Photovoltaikanlagen (PV) liefern beispielsweise tagsüber den meisten Strom, während der Hauptverbrauch bei Haushalten oft in den Morgen- und Abendstunden liegt. Ebenso schwankt die Erzeugung von Windkraft- und Wasserkraftanlagen je nach Wetterlage.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, kommen smarte Datenanalysen ins Spiel. Sie helfen, Erzeugung und Verbrauch präziser zu bestimmen und flexible Verbraucher wie Elektroautos, Wärmepumpen oder Warmwasseraufbereitungssysteme dann zu aktivieren, wenn viel Strom verfügbar ist.
Datengetriebene Lösungen für Energiegemeinschaften
Ein aktuelles Projekt der FH St. Pölten erprobt genau diesen Ansatz bereits erfolgreich in mehreren Energiegemeinschaften, darunter die EEG Göttweigblick im Raum Krems und die EEG Ratzersdorf im Osten von St. Pölten. Die Lösung basiert auf drei zentralen Komponenten:
- Datensammlung und -aufbereitung: Smart-Meter-Daten werden über den Netzbetreiber und die EDA GmbH (Energiewirtschaftlicher Datenaustausch), die eine einheitliche Schnittstelle über verschiedene Netzbetreiber in Österreich bereitstellt, gesammelt und in einer Zeitreihendatenbank gespeichert.
- Datenvisualisierung: Ein Dashboard analysiert historische Energiedaten sowie aktuelle Einspeise- und Verbrauchswerte. EEG-Mitglieder erkennen auf einen Blick, wann Stromüberschüsse entstehen und wo Optimierungspotenziale liegen.
- KI-basierte Vorhersagen: Machine-Learning-Algorithmen erstellen Prognosen für den Energieverbrauch und die Einspeisung der kommenden Stunden oder Tage. Das ist besonders wichtig, da die Smart-Meter-Daten nur mit Verzögerung zur Verfügung stehen.
Wie Prognosen Echtzeitdaten ergänzen können
In Österreich senden Smart Meter ihre Verbrauchsdaten nur einmal täglich an den Netzbetreiber, wo sie meist erst am Mittag des Folgetages abrufbar sind. Das bedeutet, dass Mitglieder ihre Verbrauchsmuster erst mit Verzögerung analysieren können. Alternativ könnten Smart-Meter-Adapter Echtzeitdaten über MQTT direkt auslesen, doch diese Lösung erfordert technisches Know-how und ist bislang wenig verbreitet.
Daher bietet sich der Einsatz von Zeitreihen-Prognosen als praktikable Alternative an. Durch die Kombination historischer Einspeise- und Bezugsdaten mit Wetterprognosen lässt sich mit hoher Genauigkeit abschätzen, wann welche Mengen an Strom erzeugt und verbraucht werden. Ein relativ einfaches XGBoost-Modell konnte in Tests bereits 80 % der Varianz von Energieeinspeisung und -verbrauch erklären – ein beachtlicher Wert, der eine gezielte Steuerung von Verbrauchsgeräten ermöglicht und teure Netzstrombezüge reduziert.
Fazit: Smarte Digitalisierung als Schlüssel zur Energiewende
Digitale Technologien spielen eine zentrale Rolle für eine erfolgreiche Energiewende. Energiegemeinschaften können durch intelligente Datenanalysen, KI-basierte Prognosen und Automatisierung deutlich effizienter arbeiten.
Das beschriebene Pilotprojekt zeigt eindrucksvoll, wie datengetriebene Lösungen zur Optimierung von EEGs beitragen können. In Zukunft soll das System weiteren Energiegemeinschaften zur Verfügung gestellt werden. Zudem ist eine erweiterte Version für Unternehmen in Planung, die im Rahmen der EU-Energieeffizienzrichtlinie (EED) verpflichtet sind, regelmäßig Energieaudits durchzuführen – insbesondere energieintensive Industrien und die Immobilienbranche.
Die Digitalisierung kann somit ein entscheidender Faktor sein, um lokale Energienetze intelligenter, effizienter und nachhaltiger zu gestalten – ein wichtiger Schritt in Richtung einer umweltfreundlichen Zukunft.
Autor:
FH-Prof. Dipl.-Wirt.-Inf. Dr. Torsten Priebe
FH St. Pölten University of Applied Sciences
Forschungsgruppe Data Intelligence
Für den Inhalt verantwortlich: FH St. Pölten, Institut für IT-Sicherheitsforschung